Ein Schicksalstag von Thomas Guggeis war der 4. März 2018. Mit 24 Jahren sprang er für Dirigent Christoph von Dohnányi bei der „Salome“-Premiere der Staatsoper Berlin ein – und sorgt für Furore. Im Publikum saß damals ein begeisterter Bernd Loebe, Intendant der Frankfurter Oper. Er habe sich daraufhin andere Vorstellungen angeschaut, „denn ich wollte nach diesem sensationellen Debüt den ersten Eindruck unterfüttern“, berichtete Loebe mal später. Und er nahm Kontakt auf.
Künftig werden die beiden Männer sehr viel miteinander zu tun haben. Denn zur kommenden Saison beginnt Guggeis seine Doppelrolle als Generalmusikdirektor der Frankfurter Oper und als Leiter der Museumskonzerte. Seine neuen Aufgaben bezeichnet der 30-Jährige als „riesiges Geschenk und als definitiv größten und wichtigsten Schritt seiner Karriere“ – aber auch als enorme Verantwortung.
Zu Guggeis‘ Vorhaben gehöre auch, das Publikum mit ungewöhnlichen Methoden anzusprechen. Dafür sei sein neuer Wirkungsort genau richtig. „Frankfurt ist seit jeher dafür berühmt, dass hier nicht der übliche Kanon zum hundertsten Mal abgeklappert wird, nicht in der Stückauswahl – und erst recht nicht in den Regieansätzen“, sagt er im dpa-Interview.
Und, so bekräftigt Guggeis: „Ich will ein Anwalt meiner Generation sein.“ Sein Alter bringe für seine eigene Arbeit durchaus Vorteile: „Ich kann noch von einem gewissen jugendlich-naiven Idealismus zehren.“
Guggeis wuchs in Straubing auf, der Vater war in einer Brauerei tätig. Vor allem über den Onkel, einen professionellen Schlagzeuger, bekam er Zugang zur Musik. Mit vier Jahren erhielt er das erste Schlagzeug, als Kind sang er bereits im Chor und dann kam auch schon das Klavier, das bis heute seine große Leidenschaft ist.
Guggeis studierte Dirigieren in Mailand und München. Er absolvierte daneben noch ein Physikstudium. „Wissenschaft hat mich schon als kleines Kind fasziniert, und irgendwann hat sich Physik als das herauskristallisiert, was mich wirklich fesselt“, sagt er. Natürlich seien Physik und Musik unterschiedliche Welten, aber in beiden gehe es um die Frage nach dem Warum und um das Begreifen von Zusammenhängen: „Wenn ich mich mit Partituren beschäftige, möchte ich verstehen, warum sie diese Form angenommen haben und was den Komponisten bewegt hat.“
An der Staatsoper in Berlin arbeitete Guggeis dann als Assistent von Daniel Barenboim, den er als sein Vorbild bezeichnet. „Er ist ein Universalgenie, das Musik zusammenbringt mit Humanismus, mit Philosophie, mit Literatur“, sagt er über den großen Meister. Barenboim wiederum schätzt an Guggeis dessen „unvergleichliche Kombination aus großer Begabung und großer Bescheidenheit, dass erstaunt und beglückt mich immer wieder“, wie er auf dpa-Anfrage erklärt.
Nach seinem umjubelten Einsatz bei der „Salome“-Premiere wird Guggeis zum Staatskapellmeister der Berliner Staatsoper ernannt. Von 2018 bis 2020 agiert er als Kapellmeister an der Staatsoper Stuttgart. Zu seinen Wirkungsstätten als Gastdirigent zählt auch die Wiener Staatsoper, wo er im Juni 2024 den „Falstaff“ dirigieren wird.
Er wolle die Menschen begeistern für die Oper, die ein zutiefst menschliches Produkt sei. „Da ist alles drin, der ganze Kanon der Menschlichkeit. Es ist komisch, tragisch, traurig und tröstend. Es ist aufwühlend, verstörend, schockierend, beeindruckend.“ Dazu passe auch seine Antrittspremiere in Frankfurt am 1. Oktober: Mozarts „Le nozze di Figaro“, die „vielleicht beste Oper überhaupt“. Bei ihr glaube jeder zu wissen, wie es gehe – und das sei gerade die Schwierigkeit.
Sein großer Erfolg scheint Guggeis nicht zu Kopf gestiegen zu sein. Im Interview wirkt er zugewandt, aufgeräumt und freundlich. Aber er wird auch ernst, wenn es um Themen geht, die ihm wirklich wichtig sind: „Die Oper ist ein Juwel, das ist ein Luxusgut, das sich unsere Gesellschaft leistet – und das sie sich auch künftig leisten sollte“, betont er. Erst zuletzt auf seiner Reise in die USA habe er wieder gemerkt, welches Renommee die Oper Frankfurt, die von der Zeitschrift „Opernwelt“ wiederholt zum „Opernhaus des Jahres“ gewählt wurde, auch international habe. „Das ist wirklich außergewöhnlich.“ Da sei es absurd, „wenn Mittel gestrichen werden“.
(S E R V I C E – )
(APA/dpa)
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